Karlsruher Institut für
Wirschaftforschung
KIWIFO
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6. Schlussbemerkung
Vergleicht man Abbildung 10 mit Abbildung 2, so kann man sich kaum des Eindrucks erwehren, dass ― mit statistischen und darstellerischen Tricks
und/oder mit hingenommenen Mängeln der Datenerhebung ― der Öffentlichkeit eine Vermögens- und Wohlstandsverteilung vorgegaukelt wird, die
mit der Realität absolut nichts mehr zu tun hat.
Steckt hinter der Darstellung der Vermögensverteilung in Dezilen nur ein gehöriger Realitätsverlust oder politisches Kalkül, etwa um der Öffentlichkeit
die Wahrheit zu verschleiern? Wir wissen es nicht.
Von Ludwig Erhards politischem Ziel, das Ressentiment zwischen Arm und Reich zu überwinden, sind wir weiter weg denn je.
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Die einzelnen Diagramme und Tabellen zu den Diagrammen nebst Quellennachweisen erhalten Sie in der Excel-Datei
www.kiwifo.de/Darstellungen_der_Vermoegensverteilung.xlsx
Ergänzung vom 01.03.2014
Das DIW hat mit seiner neuen Studie „Anhaltend hohe Vermögensungleichheit in
Deutschland“, DIW Wochenbericht 9/2014, S. 151 ff, erfreulich reagiert, indem es die Dar-
stellung der Vermögensverteilung von Dezile auf Perzentile verfeinert hat. Das Ergebnis
ist eine ― auf den ersten Blick leider nicht zu sehende ― deutlich stärker ansteigende
Verteilungskurve, die freilich immer noch nicht an die Realität heranreicht (der stärkere
Anstieg wird indes nur erkennbar, wenn man sich vergegenwärtigt hat, dass die drei rech-
ten Säulengruppen nur 1/10 der X-Achse in Anspruch nehmen dürften):
1. Einführung
Immer wieder ist zu hören und zu lesen, in Deutschland wachse die Kluft zwischen Arm und Reich, was eine gewisse Besorgnis signalisiert. So scheint
es auch ein Interesse an Fragen wie z.B. „Wie sozial gerecht ist Deutschland?“ zu geben. Dennoch ist heutzutage zu diesem Thema eine gewisse
Gleichgültigkeit unverkennbar ― und zwar gleichermaßen bei der Bevölkerung wie bei unseren Politikern. Der Spruch, „Arme und Reiche hat es schon
immer gegeben“, ist Legende, gerade so, als wäre eine Kluft zwischen Arm und Reich normal, naturgegeben oder gar gottgewollt.
Die Gleichgültigkeit gegenüber dem Thema Arm und Reich mag zum Teil aus einer gewissen Resignation entstanden sein. Denn das Thema ist in
Deutschland seit Jahrzehnten präsent ― und ungelöst. Eine erstaunliche Hilflosigkeit ist zu erkennen, weil die Beseitigung der Armut aus der Gesell-
schaft unmöglich erscheint und weil gleichzeitig die Belastungsgrenzen des Sozialstaats als erreicht oder gar überschritten angesehen werden. So wird
bewusst oder unbewusst nach der Devise verfahren: Lassen die Fakten sich nicht ändern, so ändere man seine Einstellung gegenüber den Fakten!
Dass daraus auch wiederum die Neigung resultiert, die Fakten über Arm und Reich und über die Kluft dazwischen zu verharmlosen, ist wohl nahelie-
gend.
Die vorliegende Studie will sich vor diesem Hintergrund mit der Darstellung der Vermögensverteilung in Deutschland in wissenschaftlichen Abhand-
lungen befassen und die Realitätsnähe in diesen Darstellungen überprüfen. Dabei zeigt sich, dass diese Darstellungen bestenfalls das Prinzip der
Ungleichverteilung von Vermögen demonstrieren, aber mit der Realität nicht einmal entfernte Ähnlichkeit haben und somit entscheidend zur Fehlvor-
stellung in der Öffentlichkeit über die Vermögensverteilung beitragen.
Darstellungen der Vermögensverteilung in Deutschland
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Realitätsverlust oder politisches Kalkül?
02.04.2012 (Ergänzungen vom 01.03.2014 und 31.01.2018)